ZEN notities onderweg
Brief Graf Dürckheim aan Maarten Houtman

Lieber Maarten Houtman,

Ihr Brief vom I4 Juli hat mich tief berührt und sehr bewegt.
Ich kann mich noch so gut an die Zeiten erinnern, in denen ich alle Jahre in Holland war. Ich erinnere mich auch, welches Verständnis Sie persönlich von vornherein meinem Werk entgegenbrachten. Und wie offen Sie für das waren, was ich Ihnen zum Thema Zen und Meditation zu bringen vermochte.
Ja, so fing es an. Zunächst das Sitzen auf dem Stuhl, und dann später auf einem Kissen, und wirklich, ich spürte in dieser ersten Arbeit mit Ihnen, wieviel innere Vorbereitung von Ihrer Seite dazu schon da war.
Wenn Sie mir nun erzählen von Ihrer Arbeit, in welchem Sinn und in welchem Geist Sie die Arbeit in der Zen-Meditation aufgefasst haben, so kann ich Ihnen nur sehr zustimmen, vor allen Dingen zu dem Thema: ‘Wie weit sollen wir aussere Formalitäten, die die Japaner mit ihrem Za-Zen verbinden, übernehmen?’ Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit an ein Wort unseres alten Meisters Yohu Seki, dem Meister des Eigenji bei Kyoto in Japan, der seit nun sieben Jahren alljährlich im Frühling zu uns kommt und hier in Rütte ein Sesshin abhält.
Er sagte mir bei einer bestimmten Gelegenheit: ‘Zunächst kam Zen von Indien nach China, das gab einen chinesischen Zen. Und wenn heute nun Zen von Japan nach Europa kommt, ist es’ – und dann streckte er seine Hand zu mir hin – ‘Ihre Verantwortung, daraus einen europäischen Zen wachsen zu lassen.’

Nun zu einem weiteren Punkt aus Ihrem Brief, der mich persönlich berührt hat. Das ist, was Sie über die Fehler schreiben, die man selber macht. Glauben Sie mir, mein lieber Freund, dass ich mir heute noch täglich so viele Fehler leiste, dass ich immer wieder fast erschrocken bin, in welchem Ausmass man nach so vielen Jahren der Übung immer wieder ganz unwillkürlich abweicht vom Innehalten der Regeln, die man den anderen gibt. Wie schwer es ist, frei von Gedanken und Bildern zu bleiben! Ich weiss heute auch mehr wie in früheren Zeiten, wie wichtig es ist, dem Einatem seinen freien Raum zu lassen; dass der Ausatem den Raum frei macht für einen Einatem, der das Geschenk eines guten Ausatems ist.
Einatem heisst auf englisch: inspiration, – Inspiration. Eine Inspiration kann man nicht machen, man wird inspiriert. Und wenn man in der Lage ist, sich inspirieren zu lassen, dann empfangt man das grosse Geschenk: Ledig zu sein.
Ledig aller dinge – darum geht es. Und dann wird die Bewegung das Za-Zen wirklich zum Rad der Verwandlung: immer neuer Hingabe, immer neuem Geben und als Ertrag dieses Gebens immer neu beschenkt werden. Geben – empfangen, geben – empfangen, um wieder geben zu können.
Dieses Rad der Verwandlung dreht sich dann schliesslich von selbst.

Besonders gefreut hat mich, lieber Maarten Houtman, Ihre Erinnerung an den Augenblick, wo ich Ihnen auf Ihre Frage, ob Sie anfangen sollten, mit Gruppen zu arbeiten, so aus vollem Herzen ‘Ja’ sagte. Die Weise, in der Sie dieses ‘Ja’ jetzt hervorheben, als etwas, das Sie die Jahre hindurch begleitet hat, hat mich sehr berührt. Und in der Tat habe ich Sie auch wirklich, freilich von der Ferne, ohne dass wir uns oft genug sahen, in Ihrer Arbeit begleitet. Denn immer wieder habe ich von Ihrer Arbeit gehört, und gehört mit welche Treue und zugleich mit welcher Strenge und mit welcher natürlichen Selbstverständlichkeit Sie Ihre Gruppen führen.
Davon ist viel Segen ausgegangen, und gewiss nicht nur von der praktischen Übung, sondern wohl auch von den Worten, die Sie dem Za-Zen vorangehen lassen.

Wie gut verstehe ich, was Sie da erzählen; dass man oft vorher nicht weiss, was man sagen wird und hinterher erstaunt ist, wie in der Konkreten Situation, die einen ja ganz fordert, Worte und Gedanken kommen, an die man vorher nicht gedacht hat. Das ist, glaube ich, das Geschenk oder die Frucht einer langen Arbeit an sich selbst.

Lieber Maarten Houtman, lassen Sie sich am Ende dieser Zeilen danken, danken dass Sie so Jahre hindurch an meiner Seite vorangeschritten sind. Sie sind wirklich mein Bruder auf dem Weg. Und wenn ich das so ausspreche, so tue ich das aus vollem Herzen. Und ich danke Ihnen für diese Treue zur Sache, der wir beide gemeinsam dienen.

Von ganzem Herzen, Ihr
Karlfried Dürckheim